Open Access in der Chemie

Akzeptanz und Verbreitung von Open Access­­ sind in der Chemie immer noch weniger weit fortgeschritten als beispielsweise in der Physik oder der Biologie. Die Gründe dafür sind vielfältig und liegen sicherlich auch in der traditionellen Entwicklung der Fachcommunity begründet. Dennoch gibt es in den letzten Jahren in der Chemie zunehmende Open-Access-Aktivitäten. So haben sowohl große Fachverlage einige Zeitschriften in Open Access transformiert als auch Fachgesellschaften ihre Aktivitäten hin zu Open Access verstärkt, wie beispiels­weise der Aufbau des Preprint-Servers ChemRxiv zeigt. Ein Pionier in diesem Fach ist Peter Murray-Rust von der University of Cambridge, der sowohl im Bereich Open Access als auch mit Blick auf den offenen Zugang zu Forschungsdatendaten aktiv war.

Weiterhin gibt es Vorbehalte gegenüber Open-Access-Publizieren in der Chemie, auch wegen Ängsten gegenüber der freien Nachnutzung von For­schungsergebnissen durch die Wirtschaft und die damit verbundenen Aspekte von patentrechtlich geschützten Ergebnissen, die allerdings durch die Vergabe geeigneter Nachnutzungslizenzen ausgeräumt werden können. Die Gesellschaft Deutscher Chemiker (GDCh) äußerte sich zwar 2018 in ihrer Stellungnahme kritisch gegenüber Plan S, ihr Partnerverlag Wiley-VCH hat jedoch 2019 einen Vertrag mit DEAL abgeschlossen (Schmitz, 2019). Seit 2020 ist überdies ein DEAL-Vertrag mit Springer Nature in Kraft und seit 2024 existiert auch ein DEAL-Vertrag mit Elsevier.

Open-Access-Zeitschriften

Das Directory of Open Access Journals (DOAJ) listet unter dem Stichwort Chemistry 636 Einträge (Indexed Journals, Stand: Oktober 2024).

Wichtige Open-Access-Zeitschriften sind:

Diese Liste ist nur eine kleine Auswahl an Chemie-Zeitschriften mit Open-Access-Modellen, enthält aber Zeitschriften von einschlägigen Verlagen oder mit langer Open-Access-Tradition. Einige große und durchaus relevante und renommierte Verlage, wie beispielsweise die American Chemical Society (ACS), oder Nature Publishing bieten neben ihren traditionellen subskriptionspflichten oder hybriden auch Open-Access-Zeitschriften für das Fach Chemie an. Die Royal Society of Chemistry (RSC) plant außerdem bis zum Jahr 2028 ihr gesamten Zeitschriften-Portfolio (Stand 2024: 44 Zeitschriften) in Open Access zu transformieren (vgl. https://www.rsc.org/news-events/articles/2022/oct/rsc-oa-commitment/).

Auch wenn der Impact Factor als Qualitätskriterium sehr umstritten ist (siehe Declaration on Research Assessment, DORA), ist zu konstatieren, dass dieser bei vielen der genannten Open-Access-Zeitschriften beachtlich ist. So liegt beispiels­weise der Impact Factor der von der Royal Society of Chemistry heraus­gegebe­nen Chemical Science bei 7,6 (JCR Stand 2023) und der Impact Factor der von der American Chemical Society herausgegebenen ACS Central Science bei 12,7 (JCR Stand 2023).

Eine bereits seit Beginn der Open-Access-Bewegung frei zugängliche Zeitschrift ist ARKIVOC (im Jahr 2000 gegründet). Sie deckt den Bereich der organischen Chemie ab, einschließlich Bereiche aus der bioorganischen und der metallorga­nischen Chemie. Die Zeitschrift wird bei ARKAT USA, Inc. publiziert, eine im Jahr 2000 durch Spenden gegründete gemeinnützige Organisation, deren Ziel die weltweite Verbreitung Forschung in der organischen Chemie ist und damit Stu­dierende, Wissenschaftler*innen, kommerzielle und nicht-kommerzielle Unter­nehmen unterstützt. Somit ist weder die Einreichung eines Artikels bei ARKIVOC noch die Publikation ist für die Autor*innen mit weiteren Kosten verbunden. Dies gilt auch für das Beilstein Journal of Organic Chemistry (BJOC), das seit 2005 im Open Access erscheint und komplett vom Beilstein-Institut finanziert wird. Beide Zeitschriften fallen damit unter das Label „Platinum“ bzw. „Diamond“ Open Access. Neben der komplett kostenfreien Nutzung werden Artikel auch für die größtmögliche Nachnutzung unter einer CC BY-Lizenz veröffentlicht.

Das Journal of Cheminformatics wurde 2009 als Open-Access-Zeitschrift im Verlag BioMed Central (BMC) gegründet, der nun zu Springer Nature gehört. Es deckt alle Bereiche der Chemieinformatik und der molekularen Modellierung ab. Die Zitationsrate hat sich in den letzten 5 Jahren von 3490 Zitierungen im Jahr 2019 auf 9430 im Jahr 2023 mehr als verdoppelt. Die bei Wiley-VCH seit 2012 verlegte Zeitschrift ChemistryOpen wird von der europäischen Vereinigung chemischer Fachgesellschaften (bis 2020: ChemPubSoc Europe, seitdem ChemistryEurope) herausgegeben.

Video zur Finanzierung von Open-Access-Artikeln

Open-Access-Bücher

Unter dem Stichwort Chemistry listet das Directory of Open Access Books (DOAB) 1.960 Titel. Die OAPEN Library verzeichnet mit dem Suchwort Chemistry und in der Rubrik Science rund 972 Titel (Stand Oktober 2024).

Zu den wichtigen Verlagen gehören unter anderen Taylor & Francis, Springer Nature und De Gruyter, die jedoch alle im Fach Chemie bisher nur eine kleine Anzahl von Open-Access-Büchern herausgegeben haben.

Disziplinäre Repositorien

Zu den wichtigsten disziplinären Repositorien in der Chemie gehören:

  • Beilstein Archives: enthält Preprints aus dem Bereich der organischen Chemie und der Nanotechnologie, die für die Publikation in einem der Beilstein Journals vorgesehen sind. Der Service wird vom Beilstein Institut betrieben und finanziert.
  • ChemRxiv: Preprint-Server für das Fach Chemie und verwandte Gebiete. ChemRxiv wird kooperativ betrieben und finanziert von den weltweit fünf größten Fachgesellschaften ACS, Chinese Chemical Society, Chemical Society of Japan, der GDCh und RSC.
  • PubMed Central: enthält Volltexte von Publikationen aus dem Bereich der Biomedizin und den Lebenswissenschaften (u. a. Biochemie, medizinische Chemie). Es ist das Volltextarchiv der U.S. National Institutes of Health's National Library of Medicine (NIH/NLM). Das Archiv wurde entwickelt und wird betrieben vom National Center for Biotechnology Information (NCBI) der NLM.

Für die Chemie relevante institutionelle Repositorien sind beispielsweise das Publikationsportal des Forschungszentrums Jülich - JuSER, die Publikations­datenbank des Helmholtz-Zentrums Geesthacht, das Publikations­repositorium des Helmholtz-Zentrums Dresden-Rossendorf oder auch das Repositorium für Naturwissenschaften und Technik (Renate) der Technischen Informationsbibliothek.

Eine Übersicht zu relevanten Repositorien bietet das Open Directory of Open Access Repositories (OpenDOAR).

Video über das Zeitveröffentlichungsrecht

Sonstige Angebote

Das Fach Chemie ist geprägt von Arbeiten im Labor. Die Dokumentation der durchgeführten Experimente wird in sogenannten Laborjournalen oder Laborbüchern abgelegt. Häufig werden diese Bücher noch in Papierform geführt, mit fortschreitender Digitalisierung allerdings wachsen auch die Möglichkeiten digitaler Dokumentation.

Chemotion ist ein elektronisches Laborbuch (Electronic Lab Notebook, ELN) für die Chemie, in dem Moleküle und Reaktionen systematisch in digitaler Form ab&shygelegt werden können (Tremouilhac et al., 2017). Die Inhalte und Daten können zudem über das angegliederte Forschungsdaten-Repositorium unter einer Creative-Commons-Lizenz zur freien Nachnutzung bereitgestellt werden. Die Entwicklung der Open-Source-Software von Chemotion wurde vom Karls&shyruher Institut für Technologie KIT finanziert.

Eine Übersicht über verschiedene elektronische Laborjournale bietet der von der ZB MED herausgegebene ELN-Wegweiser (Adam & Lindstädt, 2020).

Open Science in der Chemie

Das Thema Open Science und darin enthalten auch der offene Zugang zu Forschungsdaten wird in der Chemie bisher zwar weniger behandelt als in anderen Disziplinen. Es gibt aber Lichtblicke  wie bspw. im Bereich der Kristallographie. Das Cambridge Crystallographic Data Centre (CCDC) sowie die Crystallography Open Data­base (COD) bieten einen bereits in dieser Community etablierten Zugang zu kristallographischen Daten.

Im Bereich der NMR-Spektroskopie finden sich einige offene Datenbanken (zum Beispiel die Spectral Database for Organic Compounds) zu Suche nach und Vergleich von spektroskopischen Daten. Allerdings beschränkt es sich hierbei meist mehr auf die Abbildung von Spektren und weniger auf die eigentlichen aufgenommenen Datenpunkte.

In der Datenbank PubChem der National Institutes of Health (NIH) können chemische Daten und Informationen abgelegt und frei zugänglich gemacht werden. Es werden u. a. Informationen zu chemischen Strukturen, Identifika­toren, chemischen und physikalischen Eigenschaften sowie zur biologischen Aktivität gesammelt.

Im Rahmen des Aufbaus der  Nationalen Forschungsdateninfrastruktur (NDFI) wird im Chemie-Konsortium NFDI4Chem das Thema Open Science und der Umgang mit Forschungsdaten auf nationaler Ebene angegangen (Steinbeck et al., 2020). Ziel ist es die Digitalisierung aller relevanten Schritte in der chemi­schen Forschung voranzutreiben, um Wissenschaftler*innen bei der Erfass­ung, Speicherung, Verarbeitung, Analyse, Offenlegung und Wiederverwendung von Forschungsdaten zu unterstützen. Im Rahmen von NFDI4Chem werden auch fachspezifische Repositorien für Forschungsdaten weiterentwickelt, wie z. B. Chemotion für diverse Analytikdaten oder nmrXiv speziell für NMR-Daten. Mit der RADAR4Chem-Instanz wird ein generisches Repositorium für alle chemischen Forschungsdaten angeboten.

Für weitere Forschungsdaten-Repositorien für das Fach Chemie, bietet das Registry of Research Data Repositories (re3data) einen guten Überblick.

Literatur

  • Adam, B., & Lindstädt, B. (2020). ELN-Wegweiser. Elektronische Laborbücher im Kontext von Forschungsdatenmanagement und guter wissenschaftlicher Praxis—Ein Wegweiser für die Lebenswissenschaften [2. aktualisierte und erweiterte Fassung]. ZB MED - Informationszentrum Lebenswissenschaften. https://doi.org/10.4126/FRL01-006422868
  • Schmitz, K. (2019). DEAL-Vereinbarung tritt heute in Kraft. https://www.gdch.de/service-information/nachricht/article/deal-vereinbarung-tritt-heute-in-kraft.html
  • Steinbeck, C., Koepler, O., Bach, F., Herres-Pawlis, S., Jung, N., Liermann, J., Neumann, S., Razum, M., Baldauf, C., Biedermann, F., Bocklitz, T., Boehm, F., Broda, F., Czodrowski, P., Engel, T., Hicks, M., Kast, S., Kettner, C., Koch, W., … Wulle, S. (2020). NFDI4Chem—towards a National Research Data Infrastructure for Chemistry in Germany. Research Ideas and Outcomes, 6, e55852. https://doi.org/10.3897/rio.6.e55852
  • Tremouilhac, P., Nguyen, A., Huang, Y.-C., Kotov, S., Lütjohann, D. S., Hübsch, F., Jung, N., & Bräse, S. (2017). Chemotion ELN: an Open Source electronic lab notebook for chemists in academia. Journal of Cheminformatics, 9(1), 54. https://doi.org/10.1186/s13321-017-0240-0

Weiterführende Literatur

Bearbeitung der Inhalte dieser Seite: Dr. Janna Neumann, Fachreferentin für Chemie und Biotechnologie an der TIB (Stand: Oktober 2024)

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