Open Access in der Physik

Open Access ist im Fach Physik seit längerer Zeit fester Bestandteil der Publika­tions- und Informationsstruktur. Eine große Rolle spielt hierbei die Veröffentli­chung von Preprints. Der Hauptgrund für diese Publikationskultur liegt im gro­ßen Interesse der Wissenschaftler*innen, wissenschaftliche Artikel unmittelbar und ohne zeitliche Verzögerungen, die durch Publikationsprozesse entstehen, bereitzustellen. So entstand bereits im Jahr 1991 das Repositorium arXiv.

Der Transformationsprozess von allen wissenschaftlichen Zeitschriften bzw. Artikeln im Fachgebiet der Hochenergiephysik wurde im Rahmen des Projektes SCOAP³ (Sponsoring Consortium for Open Access Publishing in Particle Physics) bereits durchgeführt (siehe Open-Access-Zeitschriften). 

Weltweit richtungsweisend für Open Access in der Physik ist das CERN. Es hat in allen wichtigen Open-Access-Initiativen eine führende Rolle eingenommen, z. B. bei der Finanzierung von SCOAP³, dem Betrieb des interdisziplinären Reposito­riums Zenodo gemeinsam mit der Europäischen Kommission und der Entwick­lung der Repositoriensoftware Invenio

In Deutschland engagieren sich vor allem die Max-Planck-Gesellschaft, das Zentrum für Forschung an Teilchenbeschleunigern DESY der Helmholtz-Gemeinschaft und die Technische Informationsbibliothek (TIB) Hannover im Bereich der dauerhaften Finanzierung von Open-Access-Geschäftsmodellen in der Physik. Diese Institutionen fungieren auch als nationale Kontaktstellen bei SCOAP³ und beteiligen sich an der Finanzierung des disziplinären Repositoriums arXiv. Die TIB organisiert dabei die Teilnahme der deutschen Hochschulen an SCOAP³ über das nationale Projekt SCOAP³-DH und die Finanzierung des Beitrags der deutschen Hochschulen zu arXiv im Netzwerk arXiv-DH.

Open-Access-Zeitschriften

Das Directory of Open Access Journals (DOAJ) listet unter dem Stichwort physics 647 Einträge (Stand: April 2024). 

Bereits im Jahre 1999 startete das Institute of Physics zusammen mit der Deut­schen Physikalischen Gesellschaft das New Journal of Physics als eine der ersten reinen Open-Access-Zeitschrift. 

Insgesamt haben die Open-Access-Zeitschriften im Fach Physik verglichen mit den subskriptionsbasierten Zeitschriften ein geringes Publikationsaufkommen, da hier der Weg der Parallelpublikation, meist als Preprint vor der Verlagsver­öffentlichung, dominierend ist. 

Vor diesem Hintergrund entstand im Bereich der Hochenergiephysik das inter­nationale Projekt SCOAP³, um begutachtete Zeitschriftenartikel unter einer Creative-Commons-Lizenz zu veröffentlichen. SCOAP³ ist ein globales Konsor­tium aus Bibliotheken, Bibliothekskonsortien, Forschungsförderorganisationen und Forschungseinrichtungen. Gemeinsam wird der Transformationsprozess von wissenschaftlichen Zeitschriften im Bereich der Hochenergiephysik umge­setzt. Dabei werden alle Artikel (Gold oder Hybrid) durch das Konsortium finan­ziert, wobei die durchschnittlichen APCs deutlich unter denen vergleichbarer Transformationsprozesse liegen und den Autor*innen keine Kosten entstehen. Das Projekt ist darauf ausgerichtet, Subskriptionsgebühren dauerhaft durch Publikationsgebühren mit fairen und marktgerechten Preisen zu ersetzen. Einen Überblick über teilnehmende Zeitschriften mit dem jeweiligen Prozentsatz geförderter Artikel und absoluter tagesaktuellen Artikelanzahl gibt die Seite SCOAP³ Journals.

Video zur Finanzierung von Open-Access-Artikeln

Open-Access-Bücher

Unter dem Subject physics listen das Directory of Open Access Books (DOAB) 739 und die OAPEN Library 86 Titel (Stand: Aril 2024).

Im Fach Physik werden die meisten Bücher bei Verlagen mit traditionellen Geschäftsmodellen veröffentlicht, Open-Access-Bücher sind bislang eine Randerscheinung.

Disziplinäre Repositorien

Wie eingangs erwähnt, haben Preprints im Fach Physik eine sehr lange Tradi­tion. Seit den 1960er Jahren hat sich v. a. in der Hochenergiephysik (HEP) eine Kultur zur Bereitstellung von Preprints entwickelt und etabliert. Vor diesem Hintergrund gründete Paul Ginsparg am 14. August 1991 das elektronische Repositorium arXiv am Los Alamos National Laboratory, was einen wesentli­chen Meilenstein der Open-Access-Geschichte darstellt. Noch heute ist das seit 2020 von der Cornell Tech betriebene arXiv ein Musterbeispiel für fachliche Re­positorien. Um einen dauerhaften und nachhaltigen Betrieb zu gewährleisten, wird arXiv größtenteils von der Cornell University, der Simons Foundation und institutionellen Mitgliedern finanziert. 

Neben Preprints werden auf arXiv vorläufige Ergebnisse oder Diskussionspa­piere veröffentlicht, die zunächst nicht anderweitig publiziert werden. Das erst­malige Einreichen von Preprints ist für neue Autor*innen zumeist nur durch ein sogenanntes endorsement möglich. Dabei müssen etablierte Autor*innen des relevanten Bereichs die Einreichung befürworten. Autor*innen, die einer aner­kannten wissenschaftlichen Institution angehören, können davon befreit werden. 

ArXiv besticht als fachliches Repositorium mit einfachen Funktionalitäten und - im Vergleich zum Peer Review - reduzierten Mechanismen der Qualitätssiche­rung. In der Physik ermöglichen viele Verlage das direkte Einreichen von auf arXiv abgelegten Manuskripten bei ihren Zeitschriften. Beispielsweise werden in dem Publikationsportal SciPost direkt arXiv-Einträge als Einreichungen akzep­tiert und es muss kein Manuskript hochgeladen werden.

Eine Übersicht zu relevanten Repositorien bietet das Open Directory of Open Access Repositories (OpenDOAR).

Video über das Zeitveröffentlichungsrecht

Sonstige Angebote

INSPIRE-HEP ist eine freie digitale Fachdatenbank für Publikationen und Pre­prints im Bereich der Hochenergiephysik und ein Gemeinschaftsprojekt von CERN, DESY, Fermilab und weiteren Partnern. Neben den Standardinforma­tionen zur Veröffentlichung wie z. B. Quellenangaben und Links zu Volltexten enthalten die Nachweise auch Referenzen und Zitationen. INSPIRE-HEP ermöglicht so die Erstellung von Autor*innen-Seiten mit Zitationsanalysen. Darüber hinaus bietet INSPIRE-HEP Informationen zu HEP-Einrichtungen, -Experimenten und -Konferenzen. Auch wichtige Informationsquellen wie z. B. arXiv.org oder das NASA Astrophysical Data System sind dort eingebunden.

Open Science in der Physik

Im Fach Physik gibt es viele unterschiedliche  Bestrebungen zu Open Science. Dabei ist an erster Stelle das Open-Data-Portal von CERN zu nennen. Hier sind derzeit über zwei TeraByte an Daten zu den Experimenten am CERN frei und nachnutzbar verfügbar. Darüber hinaus gibt es zahlreiche Repositorien mit physikalischen Daten, welche alle in re3data.org gelistet sind. 

Zudem wird oftmals Programmiercode Open Source auf speziellen Projekt­seiten der beteiligten Arbeitsgruppenveröffentlicht. Infrastruktureinrichtungen sind hier selten beteiligt. Beispiele für Open-Source-Programme in der theore­tischen Festkörperphysik sind die Programme ABINIT und QUANTUM ESPRESSO.

Bearbeitung der Inhalte dieser Seite: Dr. Gernot Deinzer, UB Regensburg (Stand: Dezember 2021)