Politikwissenschaft

Open Access in der Politik­wissenschaft

Die Politikwissenschaft ist durch interdisziplinäre Schnittmengen u. a. mit der Soziologie, den Geschichtswissenschaften, der Rechts- und Verwaltungswissenschaft, den Wirtschaftswissenschaften und der Philosophie gekennzeichnet. Je nach Teildisziplin wird sie durch die Entwicklungen der angrenzenden Fachkulturen beeinflusst und übernimmt dabei deren Methoden. Während die geisteswissenschaftlich geprägten Richtungen, wie die Politische Theorie, Open Access zurückhaltend gegenüberstehen, ist bei den sozialwissenschaftlich und international ausgerichteten Teildisziplinen eine dynamische Entwicklung hin zu Open Access zu beobachten. 

Eine Auswertung des Publikationsaufkommens in Deutschland von politikwissenschaftlichen Zeitschriftenartikeln in den Jahren 2015-2020 in der Datenbank Scopus deutet auf einen Open-Access-Anteil von 30-35% hin. Auch der Anteil von politikwissenschaftlichen Büchern, die Open Access erscheinen, nimmt stetig zu. Besonders zu erwähnen ist hier die transcript Open Library Politikwissenschaft, die mittels Crowdfunding alle politikwissenschaftlichen Neuerscheinungen des transcript-Verlags sofort Open Access bereitstellt.

Die international wohl bedeutsamste politikwissenschaftliche Vereinigung, die American Political Science Association (APSA), betreibt seit 2019 mit APSA Preprints eine Open-Access-Publikationsplattform für politikwissenschaftliche Preprints. Die deutschen Fachgesellschaften Deutsche Vereinigung für Politikwissenschaft (DVPW) und Deutsche Gesellschaft für Politikwissenschaft e.V. (DGfP) haben sich bisher jedoch nicht zu Open Access positioniert und auch die großen deutschsprachigen politikwissenschaftlichen Fachzeitschriften (wie z.B. Zeitschrift für Politikwissenschaft, die Zeitschrift für Parlamentsfragen, die Politische Vierteljahresschrift und Zeitschrift für Internationale Beziehungen) erscheinen bisher nicht Open Access. 

Eine besondere Rolle spielen die im Bereich der anwendungsbezogenen Politikwissenschaft einzuordnenden Think Tanks. Think Tanks sind öffentliche oder private Einrichtungen zur Analyse außenpolitischer Prozesse, die meist an konkreten Handlungsoptionen für politische Entscheidungsträger orientiert sind und auch die breitere politische Öffentlichkeit beeinflussen wollen. Viele aktuelle Publikationen der bedeutendsten Think Tanks, wie etwa von Clingendael in den Niederlanden oder der Stiftung Wissenschaft und Politik und des Centrums für angewandte Politikforschung in Deutschland, liegen zu einem großen Teil frei zugänglich, wenn auch nicht vollumfänglich Open Access vor, werden gut beworben und können bequem von den jeweiligen Webseiten heruntergeladen werden.

Open-Access-Zeitschriften

Das Directory of Open Access Journals listet unter dem Stichwort political science 548 Einträge (Stand: Dezember 2021).

Wichtige Open-Access-Zeitschriften sind:

Bei den großen internationalen Wissenschaftsverlagen erscheinen neue Zeitschriften in den meisten Fällen Open Access. Im Vergleich zu den etablierten Kernzeitschriften des Faches konnten diese jungen Zeitschriften durch ihre kurze Laufzeit nur geringe oder mittelmäßige bibliometrische Kennwerte aufbauen. Unter den 20 internationalen Zeitschriften des Faches mit den höchsten Zitationsraten findet sich nur ein Open-Access-Titel (Research & Politics). Neue Open-Access-Zeitschriften besetzen zudem häufig regionale Nischen oder neue Teildisziplinen und haben daher eine per se geringere Reichweite. Davon unabhängig ist die Situation für deutschsprachige Fachzeitschriften zu betrachten. Der enge Binnenmarkt für deutschsprachige Journals erhöht das wirtschaftliche Risiko von Open-Access-Transformationen oder Neugründungen für die dort agierenden Verlage, wenn es keine institutionelle Förderung oder Finanzierung gibt (wie z.B. bei Africa Spectrum oder bei Totalitarismus und Demokratie, bei dem die Open-Access-Transformation vom Fachinformationsdienst Politikwissenschaft Pollux unterstützt wurde). Einige dieser Zeitschriften konnten sich zwischen den renommierten Titeln der internationalen Wissenschaftsverlage etablieren (z.B. Perspectives on Terrorism). Im Zeitschriftenbereich wird fachübergreifend zudem durch die Publish & Read-Lizenzen (z. B. DEAL) optionales Open Access auf Artikelebene in sog. Hybrid-Zeitschriften zunehmend genutzt: Der Anteil von Gold Open Access an den veröffentlichten Artikeln des Faches lagen im Web of Science zwischen 2017 und 2020 bei durchschnittlich 15% mit steigender Tendenz.

Video zur Finanzierung von Open-Access-Artikeln

Open-Access-Bücher

Unter dem Stichwort political science listet das Directory of Open Access Books (DOAB) 1162 Titel. Die OAPEN Library verzeichnet mit dem Suchwort political science rund 4816 Titel. (Stand: Dezember 2021)

Bei Monografien und Sammelwerken ist für die Politikwissenschaft eine langsam zunehmende Nachfrage und Akzeptanz von Open Access zu beobachten, auch wenn sich diese Entwicklung noch nicht messbar niederschlägt (Stichproben bei Springer/Palgrave und Taylor & Francis/Routledge für aktuelle Erscheinungsjahre ergaben einen Anteil von unter 2 % Open-Access-Titeln an der Jahresproduktion in "Political Science"). Mittlerweile bieten aber alle größeren (einschließlich der deutschen) Verlage Open Access als Option an. Die Finanzierung der Publikationskosten erfolgt dabei (ggf. anteilig) aus beantragten Projektmitteln und über institutionelle Quellen wie Publikationsfonds oder Crowdfunding, z. B. die bereits oben erwähnte transcript Open Library Politikwissenschaft.

Disziplinäre Repositorien

Wichtige Repositorien in der Politikwissenschaft sind:

Eine Übersicht zu relevanten Repositorien bietet das Open Directory of Open Access Repositories (OpenDOAR).

Video über das Zeitveröffentlichungsrecht

Sonstige Angebote

Auch die Online-Archive JSTOR und Project MUSE stellen inzwischen für die Politikwissenschaften relevante Open-Access-Inhalte bereit.

Open Science in der Politik­wissenschaft

Die Sichtbarkeit und der Zugriff auf politikwissenschaftliche Forschungsdaten werden zukünftig an Bedeutung gewinnen, z.B. zur Sekundäranalyse von Forschungsergebnissen oder zur Durchführung von Meta-Studien. An dieser Stelle seien zwei sozialwissenschaftliche Forschungsdatenrepositorien genannt, die zum einen quantitative und zum anderen qualitative Methoden abdecken:

  • SowiDataNet|datorium: sozial- und wirtschaftswissenschaftliches Forschungsdatenrepositorium für quantitative Primär- und Sekundärdaten
  • Qualiservice: sozialwissenschaftliches Forschungsdatenrepositorium für qualitative Primärforschungsdaten

Literatur

Weiterführende Literatur

  • Atchison, A., & Bull, J. (2015). Will Open Access Get Me Cited? An Analysis of the Efficacy of Open Access Publishing in Political Science. PS: Political Science & Politics, 48(1), 129–137. https://doi.org/10.1017/S1049096514001668
  • Bull, Martin J. (2016). Open access and academic associations in the political and social sciences: Threat or opportunity? European Political Science, 15, 201–210. https://doi.org/10.1057/eps.2015.88
  • Hanneken, S., Jobmann, A., & Schönfelder, N. (2020). Die transcript OPEN Library Politikwissenschaften – Ein Modell für Open-Access-eBooks in den Geistes- & Sozialwissenschaften. Informationspraxis, 6(2). https://doi.org/10.11588/ip.2020.1.66637
  • Hrynaszkiewicz, Iain. (2016). Open access journals: A sustainable and scalable solution in social and political sciences? European Political Science, 15, 191–200. https://doi.org/10.1057/eps.2015.87
  • König, T. (2020). Converting to Open Access. The Austrian Journal of Political Science (OZP) as a Case Study. Österreichische Zeitschrift für Politikwissenschaft, 49(3), 1–6. https://doi.org/10.15203/ozp.3184.vol49iss3
  • Mainwaring, D. (2016). Open access and UK social and political science publishing. European Political Science, 15, 158–167. https://doi.org/10.1057/eps.2015.83
  • Papillon, M., O’Neill, B., Bourque, M., Marland, A., & White, G. (2019). Open Access and Academic Journals in Canada: A Political Science Perspective. Canadian Journal of Political Science/Revue Canadienne de Science Politique, 52(4), 903–922. https://doi.org/10.1017/S0008423919000799
  • Projekt AuROA (2022). Publizieren und Open Access in den Geisteswissenschaften. Erkenntnisse aus dem Projekt AuROA zu den Stakeholdern im Publikationsprozess. Link: https://projekt-auroa.de/stakeholder/#perspektiven.
  • Vauteck, B. (2008). Open Access als alternative Publikationsform für die deutsche Politikwissenschaft. Argumente und Strategien (Vol. 232). https://doi.org/10.18452/18209

Bearbeitung der Inhalte dieser Seite: Regina Pfeifenberger, Fachinformationsdienst Politikwissenschaft. Pollux (Stand: Dezember 2021)