Open Access in der Politikwissenschaft
Die Politikwissenschaft ist durch interdisziplinäre Schnittmengen u. a. mit der Soziologie, den Geschichtswissenschaften, der Rechts- und Verwaltungswissenschaft, den Wirtschaftswissenschaften und der Philosophie gekennzeichnet. Je nach Teildisziplin wird sie durch die Entwicklungen der angrenzenden Fachkulturen beeinflusst und übernimmt dabei deren Methoden.
Während die geisteswissenschaftlich geprägten Richtungen wie die Politische Theorie weiterhin sehr buchaffin sind und Open Access sich hier folglich noch nicht besonders stark etabliert hat, ist bei den sozialwissenschaftlich und international ausgerichteten Teildisziplinen, wo Zeitschriftenartikel die dominierende Form der Distribution von Forschungsergebnissen darstellen, eine dynamischere Entwicklung hin zu Open Access zu beobachten.
Die international bedeutsamste politikwissenschaftliche Vereinigung, die American Political Science Association (APSA), betreibt seit 2019 mit APSA Preprints eine Open-Access-Publikationsplattform für politikwissenschaftliche Preprints.
Die größte politikwissenschaftliche Fachgesellschaft in Deutschland, die Deutsche Vereinigung für Politikwissenschaft (DVPW) hat 2024 eine Stellungnahme zu Open Access und Open Science veröffentlicht. Die DVPW unterstreicht darin die Bedeutung von Diamond Open Access in Zusammenarbeit mit unabhängigen Verlagen oder mit nicht-profitorientierten Forschungsinfrastruktureinrichtungen als wichtige Voraussetzung für das Gelingen der Open-Access-Transformation.
Von den großen deutschsprachigen politikwissenschaftlichen Fachzeitschriften sind beispielsweise die Zeitschrift für Politikwissenschaft und die Politische Vierteljahresschrift als Teil des DEAL-Vertrags mit Springer-Nature größtenteils Open Access verfügbar (bislang nur als hybride Zeitschriften). Andere zentrale Fachzeitschriften wie die Zeitschrift für Internationale Beziehungen und die Zeitschrift für Parlamentsfragen erscheinen ebenfalls bislang nur hybrid, d. h. sie bieten das Freikaufen von Open-Access-Artikeln über Article Processing Charges (APC) an.
Eine besondere Rolle spielen die im Bereich der anwendungsbezogenen Politikwissenschaft einzuordnenden Think Tanks. Think Tanks sind öffentliche oder private Einrichtungen zur Analyse außenpolitischer Prozesse, die meist an konkreten Handlungsoptionen für politische Entscheidungsträger orientiert sind und auch die breitere politische Öffentlichkeit beeinflussen wollen. Viele aktuelle Publikationen der bedeutendsten Think Tanks, wie etwa von Clingendael in den Niederlanden,der Stiftung Wissenschaft und Politik und des Centrums für angewandte Politikforschung in Deutschland oder des Stockholm International Peace Research Institute in Schweden liegen zu einem großen Teil frei zugänglich, wenn auch nicht vollumfänglich Open Access vor, werden gut beworben und können bequem von den jeweiligen Webseiten heruntergeladen werden.
Problematisch bei dieser Art „Grauer Literatur“ ist demgegenüber die Auffindbarkeit in gängigen Suchräumen und die digitale Langzeitverfügbarkeit der Inhalte.
Open-Access-Zeitschriften
Das Directory of Open Access Journals listet unter dem Stichwort “political science” 644 Einträge (Stand April 2024) .
Für die Politikwissenschaft relevante reine Open-Access-Zeitschriften (d.h. alle Artikel sind Open Access verfügbar) sind:
- Research & Politics https://doaj.org/toc/2053-1680
- Policy and Society https://doaj.org/toc/1449-4035
- Political Research Exchange https://doaj.org/toc/2474-736X
- Journal of Political Ecology https://doaj.org/toc/1073-0451
- Journal of Deliberative Democracy https://doaj.org/toc/2634-0488
- Africa Spectrum https://doaj.org/toc/0002-0397
- Austrian Journal of Political Science https://doaj.org/toc/2313-5433
- Health and Human Rights https://doaj.org/toc/2150-4113
- Perspectives on Terrorism https://doaj.org/toc/2334-3745
- Central European Journal of International & Security Studies https://doaj.org/toc/1805-482X
- Revue Internationale de Politique de Développement https://doaj.org/toc/1663-9391
- Global Studies Quarterly https://doaj.org/toc/2634-3797
- Open Gender Journal https://doaj.org/toc/2512-5192
Bei den großen internationalen Wissenschaftsverlagen erscheinen neue Zeitschriften in den meisten Fällen Open Access. Im Vergleich zu den etablierten Kernzeitschriften des Faches konnten diese jungen Zeitschriften durch ihre kurze Laufzeit bisher nur geringe oder mittelmäßige bibliometrische Kennwerte aufbauen.
Unter den zehn politikwissenschaftlichen Zeitschriften, die laut Journal Citation Report (JCR) im Jahr 2022 den höchsten Journal Impact Factor (JIF) aufwiesen, findet sich keine reine Open-Access-Zeitschrift. Relevant ist in diesem Kontext die Entwicklung von alternativen Metriken (Altmetrics), die auch in der Politikwissenschaft kritisch diskutiert werden (Meibauer et al., 2024).
Neue Open-Access-Zeitschriften besetzen häufig regionale Nischen oder neue Teildisziplinen und haben daher eine per se geringere Reichweite. Davon unabhängig ist die Situation für deutschsprachige Fachzeitschriften zu betrachten. Der enge Binnenmarkt für deutschsprachige Zeitschriften erhöht das wirtschaftliche Risiko von Open-Access-Transformationen oder Neugründungen für die dort agierenden Verlage, wenn es keine institutionelle Förderung oder Finanzierung gibt (wie z. B. bei Africa Spectrum oder bei Totalitarismus und Demokratie, bei dem die Open-Access-Transformation vom Fachinformationsdienst (FID) Politikwissenschaft – Pollux unterstützt wird). Einige dieser Zeitschriften konnten sich zwischen den renommierten Titeln der internationalen Wissenschaftsverlage etablieren (z. B. Perspectives on Terrorism).
Im Zeitschriftenbereich wird fachübergreifend zudem durch die Publish & Read-Lizenzen (z. B. DEAL) optionales Open Access auf Artikelebene in sog. Hybrid-Zeitschriften zunehmend genutzt, dies betrifft auch international wichtige Verlage für die Politikwissenschaft wie Sage und Taylor & Francis. Der Anteil von Gold Open Access an den veröffentlichten Artikeln des Faches lag im Web of Science zwischen 2020 und 2023 bei knapp einem Drittel mit steigender Tendenz. Der steigende Open-Access-Anteil bei Zeitschriftenaufsätzen zeigt sich auch in der Studie von Breuning und Aykol (2024), die zugleich aufzeigen, dass das Verfügen über Forschungsfördermittel entscheidend für die Frage ist, ob Open Access publiziert werden kann oder nicht.
Video zur Finanzierung von Open-Access-Artikeln
Open-Access-Bücher
Unter dem Stichwort „political science” listet das Directory of Open Access Books (DOAB) 3033 Titel (Stand August 2024). Die OAPEN Library verzeichnet mit dem Suchwort „political science“ 8602 Titel (Stand August 2024).
Bei Monografien und Sammelwerken ist für die Politikwissenschaft eine zunehmende Verbreitung von Open Access zu beobachten. Bei Taylor & Francis/Routledge bspw. lag der Anteil an OA-Büchern (für den Fachausschnitt “Politics & International Relations”) zuletzt bei knapp über 8 %. Eine Stichprobe bei Springer Nature/Palgrave ergibt für aktuellste Erscheinungsjahre einen OA-Anteil von 9,4 % (Fachausschnitt „Political Science and International Studies”). Bei der für den deutschen Sprachraum einschlägigen Nomos-Verlagsgruppe lag der OA-Anteil bei politikwissenschaftlichen Neuerscheinungen zwischen 2020 und Mai 2024 bei 12,6 %.
Mittlerweile bieten alle größeren (einschließlich der deutschen) Verlage Open Access als Option an, sodass bei einschlägigen Verlagen mehr und mehr Bücher im Open Access verfügbar sind. Die Finanzierung der Publikationskosten erfolgt dabei (ggf. anteilig) aus beantragten Projektmitteln und über institutionelle Quellen wie Publikationsfonds oder Crowdfunding, wie z. B. bei der transcript Open Library Politikwissenschaft, die vom Fachinformationsdienst (FID) Politikwissenschaft – Pollux unterstützt wird (Hanneken et al., 2020).
Disziplinäre Repositorien
Wichtige Repositorien in der Politikwissenschaft sind:
- SSOAR - Social Science Open Access Repository: größter Volltextserver für die Sozialwissenschaften, wird von GESIS Leibniz-Institut für Sozialwissenschaften betrieben.
- SSRN -Social Science Research Network: Preprintserver mit Forschungspublikationen der Sozial-, Human-, Geistes- und Wirtschaftswissenschaften. Das in SSRN enthaltene PSN (Political Science Network) enthält über 240.000 Paper von ca. 190.000 Autoren.
- SocArXiv: sozialwissenschaftlicher Dokumentenserver, enthält Working Paper, Preprints und Zweitveröffentlichungen
- APSA Preprints: politikwissenschaftlicher Preprintserver der American Political Science Association (APSA).
Eine Übersicht zu relevanten Repositorien bietet das Open Directory of Open Access Repositories (OpenDOAR) unter der Rubrik „Social Sciences“.
Video über das Zeitveröffentlichungsrecht
Praxistipp
Sonstige Angebote
Auch die Online-Archive JSTOR und Project MUSE stellen inzwischen für die Politikwissenschaft relevante Open-Access-Inhalte bereit.
Open Science in der Politikwissenschaft
Die Sichtbarkeit und der Zugriff auf politikwissenschaftliche Forschungsdaten werden zukünftig an Bedeutung gewinnen, z.B. zur Sekundäranalyse von Forschungsergebnissen oder zur Durchführung von Meta-Studien. An dieser Stelle seien zwei sozialwissenschaftliche Forschungsdatenrepositorien genannt, die zum einen quantitative und zum anderen qualitative Methoden abdecken:
- Archivierung BASIS: sozial- und wirtschaftswissenschaftliches Forschungsdatenrepositorium für quantitative Primär- und Sekundärdaten
- Qualidata Network: Suchportal für sozialwissenschaftliche qualitative Forschungsdaten
Literatur
- Breuning, M., Akyol, S. (2024). Who publishes open access? PS: Political Science & Politics. https://doi.org/10.1017/S1049096524000106
- Hanneken, S., Jobmann, A. & Schönfelder, N. (2020). Die transcript OPEN Library Politikwissenschaften – Ein Modell für Open-Access-eBooks in den Geistes- & Sozialwissenschaften. Informationspraxis, 6(2). https://doi.org/10.11588/ip.2020.1.66637
- Meibauer, G., Phull, K., Alejandro, A., & Ciflikli, G. (2024). Alternative metrics, traditional problems? Assessing gender dynamics in the altmetrics of political science. European Political Science, 23(2), 179–198. https://doi.org/10.1057/s41304-023-00431-y
Weiterführende Literatur
- Czolkoß-Hettwer, M., Lein, P. & Mayr, P. (2024). Probleme und Potenziale der Forschungsinfrastrukturförderung in Deutschland am Beispiel des Fachinformationsdienstes Politikwissenschaft. Zeitschrift für Politikwissenschaft, 34(1), 101–122. https://doi.org/10.1007/s41358-024-00371-z
- König, T. (2020). Converting to Open Access. The Austrian Journal of Political Science (OZP) as a case study. Österreichische Zeitschrift für Politikwissenschaft, 49(3), 1–6. https://doi.org/10.15203/ozp.3184.vol49iss3
- Papillon, M., O’Neill, B., Bourque, M., Marland, A. & White, G. (2019). Open access and academic journals in Canada: A political science perspective. Canadian Journal of Political Science/Revue Canadienne de Science Politique, 52(4), 903–922. https://doi.org/10.1017/S0008423919000799
- Taubert, N., Sterzik, L. & Bruns, A. (2024). Mapping the German Diamond Open Access journal landscape. Minerva, 62(2), 193–227. https://doi.org/10.1007/s11024-023-09519-7
- Vauteck, B. (2008). Open Access als alternative Publikationsform für die deutsche Politikwissenschaft. Argumente und Strategien (Berliner Handreichungen zur Bibliotheks- und Informationswissenschaft; 232 ). https://doi.org/10.18452/18209
Aktualisierung der Inhalte dieser Seite: Michael Czolkoß-Hettwer und Regina Pfeifenberger, Fachinformationsdienst (FID) Politikwissenschaft – Pollux. Stand: Juni 2024.