Wirtschaftswissenschaften

Open Access in den Wirtschafts­wissenschaften

Open Access ist immer auch Teil des Publikationsmarktes und des Publikationsverhaltens insgesamt. Dabei ist für die Wirtschaftswissenschaften insbesondere relevant, dass es hier eine ausgeprägte Preprintkultur gibt. Diese Veröffentlichungen vor einem Peer Review durch Fachzeitschriften erfolgen in der Regel als sogenannte "Working Papers" oder "Discussion Papers". Sie werden zumeist von wirtschaftswissenschaftlichen Instituten oder Fakultäten herausgegeben und sind in der Regel frei zugänglich. Die meisten Zeitschriftenartikel sind also vorab bereits als Working Paper erschienen (Baumann & Wohlrabe, 2020) und über fachliche Repositorien oder Nachweisdatenbanken wie SSRN, RePEc oder EconStor frei zugänglich. Zudem ist darüber gut ablesbar, wie sich das Publikationsaufkommen in der Wirtschaftsforschung entwickelt. 

Dabei kann man konstatieren, dass der Publikationsoutput im letzten Jahrzehnt stark gewachsen ist. So hat sich beispielsweise der jährliche Zuwachs von Working-Paper-Nachweisen in RePEc zwischen 2010 und 2020 von 65.000 auf 165.000 mehr als verdoppelt.

Trotz der Preprintkultur sind Zeitschriftenartikel nach wie vor das wichtigste Publikationsformat in den Wirtschaftswissenschaften. Bei den Journals gibt es eine starke Fixierung auf Rankings (z. B. vom Forschungsmonitoring der ETH Zürich für das Handelsblatt oder die WirtschaftsWoche).
Die wichtigsten Fachverlage für wirtschaftswissenschaftliche Zeitschriften sind vor allem Elsevier, Springer und Wiley. Die Fachzeitschriften werden von den Verlagen zum überwiegenden Teil als Subskriptions- bzw. Hybrid-Zeitschriften angeboten. Daher hat der in den letzten Jahren zunehmende Trend zu überregionalen und nationalen Transformationsverträgen in Deutschland (wie etwa DEAL) (siehe marketwatch) aber auch international zu einer Zunahme von Open-Access-Artikeln aus der Wirtschaftsforschung geführt. Dieser Effekt ist deutlich stärker als die Zunahme an Open-Access-Artikeln aus Gold-Open-Access-Zeitschriften. 

Innerhalb der Wirtschaftswissenschaften lässt sich noch nach den Sub-Disziplinen Volkswirtschaftslehre (VWL) und Betriebswirtschaftslehre (BWL) differenzieren. Dabei ist die Preprintkultur in der VWL stärker ausgeprägt, zudem ist der Anteil der in beiden Fächern dominierenden englischsprachigen Veröffentlichungen noch höher als in der BWL.

Open-Access-Zeitschriften

Open-Access-Zeitschriften spielen in den Wirtschaftswissenschaften immer noch eine untergeordnete Rolle. Ihr Anteil ist zwar in den letzten Jahren proportional gestiegen, liegt aber immer noch im einstelligen Prozentbereich, verglichen zu allen anderen Journals (Laakso & Björk, 2021). Dies hat verschiedene Gründe, u. a. die starke Bedeutung von Rankings, die v. a. etablierte (Subskriptions-)Zeitschriften bevorzugen und gleichzeitig eine unterdurchschnittlich ausgeprägte Bereitschaft von Autor*innen, in Open-Access-Zeitschriften mit APCs zu veröffentlichen (Severin et al., 2018). 

Folgende Open-Access-Zeitschriften spielen für die Wirtschaftsforschung, insbesondere in Deutschland, eine relevante Rolle (in Klammern die herausgebende Einrichtung bzw. der Verlag)

Interessant dabei ist die Tatsache, dass über die Hälfte der genannten Zeitschriften keine APCs erhebt. Stattdessen werden die Publikationskosten hier eher über die herausgebenden Institute oder Fachgesellschaften getragen. 

Darüber hinaus ist noch zu erwähnen, dass Wirtschaftsforschende auch zunehmend in interdisziplinären Journals oder Megajournals Open Access publizieren. Hier ist v. a. PLOS One zu nennen.

Video zur Finanzierung von Open-Access-Artikeln

Open-Access-Bücher

Die Rolle von Verlagsmonographien für die wirtschaftswissenschaftliche Forschung hat in den letzten Jahren immer weiter abgenommen und spielt aktuell nur eine kleine Rolle, z. B. in Form von Sammelbänden oder als populärwissenschaftliche Veröffentlichungen bekannter Professor*innen. Davon ausgenommen sind Lehrbücher, die nach wie vor eine wichtige Rolle für die große Zahl an Studierenden spielen. Gerade Lehrbücher und populärwissenschaftliche Titel sind jedoch aufgrund ihrer hohen Umsätze im klassischen Verkaufsmodell (auch außerhalb von Bibliotheksetats) nur schwer in ein Open-Access-Geschäftsmodell zu transformieren.
Über die verschiedenen fachlichen Subjects für wirtschaftswissenschaftliche Literatur aus den Bereichen Economics, Business, Management oder Finance listet das Directory of Open Access Books (DOAB) insgesamt mehrere hundert Open-Access-Bücher aus diesem Themenfeld. Die weitere Finanzierung von Open-Access-Büchern wird zunehmend durch institutionelle Open-Access-Monographienfonds unterstützt, die in Deutschland an immer mehr Wissenschaftseinrichtungen entstehen (vgl. dazu auch die Fokusgruppe Open-Access-Monographienfonds). 

Disziplinäre Repositorien

In den Wirtschaftswissenschaften gibt es nicht nur "das eine" Fachrepositorium, vielmehr sind hier über die Jahre mehrere relevante Publikationsorte entstanden, die nicht nur, aber doch vor allem für die im Fach bestehende Publikationskultur der Preprints (bzw. Working Papers) relevant sind.

Zu den wichtigsten Repositorien in den Wirtschaftswissenschaften gehören:

  • SSRN: Das zum Elsevier-Konzern gehörende Social Science Research Network (SSRN) deckt zwar ein größeres Fächerspektrum ab als nur die Wirtschaftswissenschaften, gilt aber vor allem in der Wirtschaftsforschung als größtes Fachrepositorium der Disziplin. Insgesamt hat man hier Zugriff auf etwa 800.000 Volltexte im Open Access, wobei über die Hälfte auf den Bereich Wirtschaftswissenschaften entfällt. 
  • EconStor: Der Publikationssserver der ZBW - Leibniz-Informationszentrum Wirtschaft enthält über 200.000 Volltexte im Open Access. Dies sind vor allem Working Papers, aber auch Konferenzbeiträge und Zeitschriftenaufsätze. Die EconStor-Publikationen sind auch Teil des RePEc-Angebots und werden darüber hinaus in Google Scholar und EconBiz nachgewiesen.
  • AgEcon Search: Das fachliche Repositorium wird von der University of Minnesota betrieben und hauptsächlich durch die Fachgesellschaft "Agricultural and Applied Economics Association" finanziert. Es enthält etwa 150.000 frei zugängliche Volltexte, v. a. aus den Bereichen der Agrarökonomie und der angewandten Ökonomik. Alle Publikationen auf AgEcon Search sind auch in RePEc nachgewiesen.
  • MPRA: Das Munich Personal RePEc Archive (MPRA) wird an der Universitätsbibliothek München gehostet und enthält über 50.000 wirtschaftswissenschaftliche Publikationen aus aller Welt. Diese stammen in der Regel nicht von Institutionen oder Verlagen, sondern werden von Einzelforscher*innen per Self-Upload eingereicht und dann von einem Redaktionsteam freigeschaltet und in RePEc nachgewiesen.

Eine Übersicht zu relevanten Repositorien bietet das Open Directory of Open Access Repositories (OpenDOAR).

Video über das Zeitveröffentlichungsrecht

Sonstige Angebote

Bei vielen Wirtschaftsforschenden (vor allem in der VWL) ist die Plattform RePEc (Research Papers in Economics) bekannt. Sie stellt eine Mischung aus Verbundkatalog, Institutionen-Registry und Rankingsystem dar, wobei die Nachweise für den Verbundkatalog dezentral von den Wissenschaftseinrichtungen und Fachverlagen eingespielt werden. Mit Hilfe einer automatischen Zitationsanalyse und Downloadstatistiken sowie Angaben von über 60.000 Forschenden weltweit mit eigenen Accounts produziert RePEc u. a. Rankings von Forschenden, Wissenschaftseinrichtungen und Fachzeitschriften. Der gesamte Service ist nicht kommerziell und kostenfrei und wird auf ehrenamtlicher Basis von verschieden Ökonomen auf verteilt liegenden Servern betrieben.

Das vom ZBW - Leibniz-Informationszentrum Wirtschaft betriebene Suchportal EconBiz umfasst über 10 Millionen Publikationsnachweise und kann in der Suche auch auf Open-Access-Volltexte eingeschränkt werden. Zudem gibt es hier einen weltweiten kalendarischen Überblick zu z. B. Fachtagungen, Kongressen und Sommerkursen in den Wirtschaftswissenschaften.

Open Science in den Wirtschafts­wissenschaften

Unter den weiteren Open-Science-Aspekten mit Relevanz für die Wirtschaftswissenschaften ist insbesondere der Bereich der Forschungsdaten zu nennen, diese werden mehr und mehr offen und nach den FAIR-Prinzipien zugänglich gemacht. Hier kümmert sich in Deutschland unter anderem der Rat für Sozial- und Wirtschaftsdaten (RatSWD) um die Weiterentwicklung und hat dabei etwa Kriterien für den Zugang zu fachlichen Forschungsdatenzentren entwickelt. Zudem gibt es im Rahmen der Initiative NFDI (Nationale Forschungsdateninfrastruktur) auch fachliche Konsortien aus den Wirtschaftswissenschaften, z. B. KonsortSWD

Darüber hinaus kümmert sich vor allem die ZBW um die Weiterentwicklung von Open Science in den Wirtschaftswissenschaften, unter anderem mit einer eigenen Forschungsgruppe, diversen Veranstaltungen und einer spezifischen Marketingkampagne für die Wirtschaftsforschung. Zudem ist hier auch ein eigenes Webangebot für die Zielgruppe Wirtschaftsforschung im Aufbau.

Literatur

  • Baumann, A., & Wohlrabe, K. (2020). Where Have All the Working Papers Gone? Evidence from Four Major Economics Working Paper Series. https://hdl.handle.net/10419/219146
  • Laakso, M., & Björk, B.-C. (2021). Open access journal publishing in the business disciplines: A closer look at the low uptake and discipline-specific considerations. https://doi.org/10.1177/09610006211006769
  • Severin, A., Egger, M., Eve, M. P., & Hürlimann, D. (2020). Discipline-specific open access publishing practices and barriers to change: an evidence-based review. F1000Research, 7, 1925. https://doi.org/10.12688/f1000research.17328.2

Bearbeitung der Inhalte dieser Seite: Olaf Siegert, Leibniz-Informationszentrum Wirtschaft (Stand: Dezember 2021)