
Open Access in der Mathematik
Im Gegensatz zu vielen naturwissenschaftlichen oder technischen Disziplinen wird in der Mathematik nach wie vor ältere Literatur für aktuelle Forschungs­fragen herangezogen. Daher beschränkt sich freier Zugang in der Mathematik nicht auf aktuelle Forschungsergebnisse, sondern schließt auch ältere Literatur mit ein. Die Retrodigitalisierung und der freie Zugriff auf diese digitalen Inhalte spielen in diesem Fach eine große Rolle.
Ein weiterer Unterschied zu den meisten naturwissenschaftlichen Disziplinen ist die Akzeptanz von Literatur ohne wissenschaftliche Qualitätsprüfung. So erhielt beispielsweise Grigori Jakolewitsch Perelman 2006 die Fields-Medaille für seine Artikel über den Beweis zur Poincaré-Vermutung, welchen er ausschließlich auf dem Preprintserver arXiv veröffentlicht hatte. Auch ohne klassisches Peer-Review-Verfahren konnte Perelmans Beweis so aufgrund der Open-Access-Veröffentlichung von verschiedenen Gruppen überprüft werden.
In der Mathematik ist die Kritik an den steigenden Zeitschriftenpreisen sehr hoch. So ist es nicht verwunderlich, dass gerade hier Forschende oftmals zum Boykott von Wissenschaftsverlagen (z. B. The Cost of Knowledge) aufrufen und sich auch selbst daran beteiligen.
Open-Access-Zeitschriften
Das Directory of Open Access Journals (DOAJ) listet unter dem Stichwort Mathematics 778 Einträge (Stand: März 2024).
Publikationsgebühren werden oftmals kritisch gesehen. Vor diesem Hinter­grund werden mathematische Zeitschriften häufig in Geschäftsmodellen ohne Publikationsgebühren veröffentlicht. Viele dieser Zeitschriften werden direkt von wissenschaftlichen Institutionen oder Fachgesellschaften herausgegeben.
Beispiele hierfür sind:
Zu erwähnen ist auch die Electronic Library of Mathematics (eLibM). Auf dieser Plattform werden Open-Access-Zeitschriften (u. a. die Documenta Mathemati­ca) veröffentlicht.
Da, wie eingangs erwähnt, in der Mathematik ältere Literatur von großer Bedeu­tung ist, werden häufig ältere Zeitschriftenbände online frei zugänglich zur Ver­fügung gestellt, auch wenn die aktuellen Bände Closed Access, also kosten­pflichtig sind. In diesen Fällen wird oftmals das Geschäftsmodell der Moving Wall mit Embargofrist angewandt: Für einen gewissen Zeitraum (z. B. die ersten fünf Jahre nach Erscheinen) ist der Zugang kostenpflichtig, anschließend wird er kostenfrei.
Als Beispiele seien hier folgende Zeitschriften genannt:
- Journal für die reine und angewandte Mathematik (1826-1997 frei)
- Mathematische Annalen (1869-1996 frei)
- Annales scientifiques de l'École Normale Supérieure (1864- frei, ausgenommen die letzten vier Jahrgänge)
- Commentarii Mathematici Helvetici, (1929- frei, ausgenommen die letzten fünf Jahrgänge)
Video zur Finanzierung von Open-Access-Artikeln

Open-Access-Bücher
Unter dem Subject Mathematics listet das Directory of Open Access Books (DOAB) 81 Titel, unter Mathematics & science werden 796 Titel aufgeführt. OAPEN verzeichnet unter der Rubrik Mathematics 76 Titel (Stand: März 2024).
Im Fach Mathematik werden die meisten Bücher in Verlagen mit traditionellen Geschäftsmodellen veröffentlicht. Open-Access-Bücher sind bislang eine Rand­erscheinung.
Disziplinäre Repositorien
Das wichtigste Repositorium in der Mathematik ist das e-Print Archiv arXiv für Physik, Mathematik und verwandte Fächer (siehe Fachseite Physik). Die lange Zeit gängige Praxis, Preprints auf den eigenen Institutionsseiten zu veröffentli­chen, wurde mit der steigenden Bedeutung von arXiv eingestellt. Viele Reposito­rien in der Mathematik veröffentlichen keine neuen Preprints mehr (mit Aus­nahme der MPIM Preprint series des Max-Planck-Institut für Mathematik).
Zusätzlich existieren für das Fach Open-Access-Repositorien mit retrodigitali­sierter Literatur. Die bedeutendsten sind:
- Göttinger Digitalisierungszentrum (GDZ): enthält u.a. die Kollektion Mathematica, in welcher der gesamte historische Bestand der SUB Göttingen an mathematischer Literatur bis einschließlich 1900 zugänglich gemacht wird.
- NUMDAM: ist an der Université Grenoble Alpes angesiedelt und beinhaltet viele französische und italienische Zeitschriften. Der Zugang ist frei, aller­dings gibt es von Zeitschrift zu Zeitschrift variierende Embargofristen.
- The University of Michigan Historical Mathematics Collection: enthält Monografien des 19. und frühen 20. Jahrhundert
- Historical Math Monographs (Cornell University Library)
- The European Mathematical Information Service (EMIS): bietet Zugang zu etlichen Opera Omnia, zu vielen Journalen, Tagungsberichten, Monogra­phien und Lecture Notes.
- Project Euclid (Cornell University): bietet elektronisch publizierte Zeitschrif­ten an, viele davon im Open Access
Eine Übersicht zu relevanten Repositorien bietet das Open Directory of Open Access Repositories (OpenDOAR).
Video über das Zeitveröffentlichungsrecht
Praxistipp
Sonstige Angebote
Seit dem Jahr 2021 ist die Informationsplattform zbMATH OPEN (Zentralblatt für Mathematik) frei zugänglich. Durch offene und nachnutzbare Schnittstellen wird die Vernetzung und der Austausch von wissenschaftlichen Informationen gewährleistet. Die Plattform soll sich als zentraler Punkt in einer offenen globa­len Bibliothek für Mathematik etablieren.
Ein weiteres freies Recherchetool ist The European Digital Mathematics Library (EuDML).
Darüber hinaus gibt es im Rahmen des Committee on Electronic Information and Communication (CEIC) of the International Mathematical Union (IMU) Bestrebungen, eine World Digital Mathematics Library (WDML) zu entwickeln. Darin soll die gesamte mathematische Literatur erschlossen, miteinander ver­knüpft, dauerhaft frei zugänglich und nachnutzbar werden. Ein erster Schritt ist hierbei durch zbMATH OPEN erfolgt.
Zur wissenschaftlichen Qualitätssicherung von Open-Access-Artikeln stellt das Projekt épisciences.org eine freie Plattform zur Verfügung, auf der Beiträge ein Peer-Review-Verfahren durchlaufen können. So können auch Artikel auf Pre­print-Servern wie arXiv einer wissenschaftlichen Qualitätsprüfung unterzogen werden.
Open Science in der Mathematik
Mathematische Methoden werden immer häufiger auch in der interdisziplinä­ren Forschung erfolgreich angewendet und sind dementsprechend weit verbrei­tet. So finden Modelle, Parameter, Daten und numerische Algorithmen aus der Mathematik beispielsweise im Bereich maschinelles Lernen Verwendung. Ma­thematische Forschungsdaten sind dadurch sehr komplex, vielfältig und un­überschaubar geworden. In ihrer freien Veröffentlichung liegt folglich ein großer Vorteil für die interdisziplinäre Forschung. Gerade im Bereich der Datenwissen­schaften sind hierfür jedoch teils immense Rechnerleistungen nötig. (MaRDI, 2021)
Ein wesentlicher Bestandteil der reinen mathematischen Publikationskultur liegt im Beweisen von mathematischen Sätzen. Diese Beweise müssen für die Lesen­den innerhalb des Beitrags vollständig nachvollziehbar sein. Hier ist demzufolge keine Bereitstellung zusätzlicher Daten notwendig, da bereits mit der Open-Access-Publikation jegliche Information frei zur Verfügung steht.
Bearbeitung der Inhalte dieser Seite: Dr. Gernot Deinzer, UB Regensburg (Stand: Dezember 2021)