
Video zur Finanzierung von Open-Access-Artikeln
Open Access in der Geschlechter­forschung
Die Geschlechterforschung ist ein Wissensfeld, das stark von inter/transdisziplinären Arbeitsweisen geprägt ist und in dem sich zugleich auch vielfältige disziplinäre Zugänge wiederfinden. Die Veröffentli¬chungspraktiken und -orte von Geschlechterforschenden richten sich in vielen Fällen nach den involvierten Fachdisziplinen und sind entsprechend heterogen. Es gibt aber auch eine Reihe von dezidiert inter/transdisziplinär ausgerichteten Publikationen. Die Geschlechterforschung nutzt überwiegend Zeitschriften, Sammelbände und Monographien für ihre Publikationsanliegen. Daneben sind Handbücher, Wissenschaftsblogs und verschiedene andere Transferformate verbreitet. Preprints spielen dagegen kaum eine Rolle.
Chancen für die Geschlechterforschung
Open-Access-Publizieren bietet gerade für die Geschlechterforschung enorme Chancen: Aufgrund von politischen Vorbehalten gegenüber der Geschlechter­forschung und der uneindeutigen Verortung zwischen den Disziplinen sind ihre Ergebnisse Rezeptionssperren ausgesetzt. Open-Access-Publikationen können durch die mögliche größere Sichtbarkeit und den direkten Zugriff auf Volltexte diese Sperren überwinden und so ihre Qualität belegen.
Die Chancen des elektronischen Publizierens und insbesondere von Open Access sind in der Geschlechterforschung heute breit akzeptiert. Es gibt in der deutschsprachigen Geschlechterforschung mittlerweile eine Reihe von Open-Access-Publikationen, insbesondere bei Zeitschriften und Wissenschaftsblogs. Eine langsame Zunahme von Open-Access-Veröffentlichungen ist auch im Bereich der Bücher zu verzeichnen. International lassen sich zwei Entwicklungen unterschieden: Auf der einen Seite erscheinen einschlägige, überwiegend englischsprachige Publikationen zur Geschlechterforschung in großen kommerziellen Verlagen, die bis dato leider lediglich hybride Open-Access-Optionen gegen die Zahlung von Zusatzgebühren anbieten. Auf der anderen Seite ist eine wachsende Zahl von Open-Access-Publikationen in der nicht-englischsprachigen Welt zu verzeichnen, die gebührenfreie und wissenschaftsgeleitete Open-Access-Modelle verfolgen und so einen wichtigen Beitrag zur Bibliodiversität leisten.
Aktivitäten der Fachgesellschaft Geschlechterstudien
Die Fachgesellschaft Geschlechterstudien positioniert sich aktiv für freies Publizieren. Als eine von vier Herausgeberinnen des Open Gender Journal und Trägerin der Open Gender Plattform hat die Fachgesellschaft Open Access als wichtiges Handlungsfeld in ihrem Aufgabenspektrum verankert. Innerhalb der Fachgesellschaft vernetzt die Arbeitsgruppe Open Digital Gender Studies zudem bestehende Initiativen und setzt sich mit aktuellen Entwicklungen im Bereich Open Access und Open Science auseinander.
Open-Access-Zeitschriften
Das Directory of Open Access Journals (DOAJ) listet unter dem Stichwort Gender 151 Einträge (Stand: August 2024). Lediglich 34 der im DOAJ verzeichneten Zeitschriften erheben APCs.
In Deutschland erscheinen folgende Open-Access-Zeitschriften im Bereich Gender Studies:
- Open Gender Journal DOAJ
- querelles-net (seit 2020 Rubrik des Open Gender Journal)
- GENDER FORUM – An Internet Journal for Gender Studies DOAJ
- IZGOnZeit
- gender[ed]thoughts
- FKW // Zeitschrift für Geschlechterforschung und visuelle Kultur
Die Rezensionszeitschrift querelles-net, die zu den Pionierinnen der Open-Access-Bewegung in der deutschsprachigen Geschlechterforschung gehört, wird seit 2020 als Rubrik des Open Gender Journals weitergeführt. Die genannten Zeitschriften sind nicht nur kostenfrei zugänglich, sondern erfüllen auch durch die Nutzung von freien Lizenzen die Anforderungen an Open-Access-Publikationen.
Open-Access-Handbücher
Mit dem Handbuch „Politik und Geschlecht“ (herausgegeben von Christine M. Klapeer, Johanna Leinius, Franziska Martinsen, Heike Mauer und Inga Nüthen) existiert seit 2017 ein Open-Access-Einführungswerk in die politikwissenschaftliche Geschlechterforschung, das kontinuierlich ergänzt und aktualisiert wird. Diese „Living Enzyklopädie“ entstand im Rahmen des BMBF-geförderten Projektes OAPEnz als Zusammenarbeit zwischen der ZB MED und dem Verlag Barbara Budrich.
Wissenschaftliche Open-Access-Blogs
Neben klassischen Fachzeitschriften erscheinen mittlerweile auch Wissenschaftsblogs in der Geschlechterforschung als frei lizensierte Open-Access-Publikation. Die Beiträge im blog interdisziplinäre geschlechterforschung, der von der Koordinations- und Forschungsstelle Netzwerk Frauen- und Geschlechterforschung NRW herausgegeben wird, werden im Repositorium der UB Duisburg-Essen langzeitarchiviert. Das Genderblog des Zentrums für transdisziplinäre Geschlechterstudien an der HU Berlin legt den Schwerpunkt auf die Publikation von Ergebnissen, Projekten und Debatten aus Forschung und Lehre der Gender Studies an der Humboldt-Universität zu Berlin.
Open Educational Resources
Im Bereich der Open Educational Resources bietet die OER Was ist Gender? einen Einstieg in das Thema. Das Portal Gendering MINT digital stellt nachnutzbare Lehreinheiten aus dem Forschungs- und Lehrbereich Gender & MINT zur Verfügung. Die Toolbox Gender und Diversity in der Lehre bietet Materialien für die Gestaltung von diskriminierungskritischer Hochschullehre. Alle Angebote sind frei lizensiert.
Video über das Zeitveröffentlichungsrecht
Disziplinäre Repositorien
Mit GenderOpen verfügt die Geschlechterforschung seit 2018 über ein diszipli­näres Open-Access-Repositorium, das die langfristige Verfügbarkeit von Veröff­entlichungen unter Open-Access-Bedingungen sichert. Das Repositorium infor­miert Autor*innen auch über ihre Rechte im Bereich der Zweitveröffentlichung und schafft so Bewusstsein für die Möglichkeiten, die ihnen im Rahmen des deutschen Urheber*innenrechts gegeben sind. Gezielte Kooperationen mit ein­schlägigen Fachverlagen ermöglichen in vielen Fällen die Zweitveröffentlichung von originalen Verlagsversionen sowie der zugehörigen Metadaten nach Ablauf einer Embargofrist.
Der Schlagwortindex GenderOpen ist ein im Rahmen von GenderOpen ent­wickeltes kontrolliertes Vokabular zur inhaltlichen Beschreibung von Publikatio­nen aus der Geschlechterforschung. Er wird auch von einigen Zeitschriften, dem Digitalen Deutschen Frauenarchiv und der Gutachter*innen-Datenbank ge­nutzt. GenderOpen erhielt 2019 das DINI-Zertifikat für Open-Access-Publika­tionsdienste. Eine Übersicht zu relevanten Repositorien bietet auch das Open Directory of Open Access Repositories (OpenDOAR).
Sonstige Angebote
Open Access wurde in der deutschsprachigen Geschlechterforschung entschei­dend durch einzelne Projekte vorangebracht. Das von der DFG geförderte Pro­jekt Geschlechterforschung und Open Access. Ein Publikationsmodell für ein inter-/transdisziplinäres Forschungsfeld an der Freien Universität Berlin (2011 – 2012) war dafür richtungsweisend. Darin wurden die Chancen und Anforde­rungen an Open-Access-Publikationen in der Geschlechterforschung analysiert. Es wurde gezeigt, dass alle für die Umsetzung eines qualitätsgesicherten Open-Access-Publikationsangebots notwendigen technischen und rechtlichen Mög­lichkeiten vorhanden sind. Open-Access-Veröffentlichungen und elektronische Publikationsabläufe bringen jedoch zusätzliche Anforderungen mit sich, z. B. klare Rollenteilungen, Rechteklärungen sowie Anpassungen an disziplin- und länder­übergreifende Standards.
Als weiteres Open-Access-Angebot ist das Projekt Open Gender Platform zu nennen. Darin wurden nachhaltige Ansätze für redaktionelle Workflows, Geschäftsmodelle und Qualitätssicherungsverfahren entwickelt und für die gesamte Geschlechterforschung nachnutzbar zur Verfügung gestellt. Hierzu zählt u. a. eine Gutachter*innen-Datenbank. Dabei handelt es sich um ein Verzeichnis von Expert*innen, die ihre Bereitschaft erklärt haben, für Open-Access-Zeitschriften und -Bücher in Deutschland als Gutachter*innen zu fungieren.
Praxistipp
Open Science in der Geschlechter­forschung
Das Thema offene Forschungsdaten wird in der Geschlechterforschung nur zögerlich aufgegriffen. Nach einer Bedarfsanalyse zu Forschungsdateninfra­strukturen in den Gender Studies haben bisher nur wenige Forschende Erfah­rung mit der Nachnutzung von Forschungsdaten gemacht. Die Schwierigkeiten bei der disziplinären Einordnung der Geschlechterforschung wiederholen sich auch in Bezug auf offene Forschungsdaten: Explizit für die Geschlechterfor­schung ausgewiesene Forschungsdatenrepositorien gibt es bislang nicht. Selbst bei guter Metadatenerfassung erfordert eine Recherche stets das Verfolgen un­terschiedlicher Suchstrategien mit verschiedenen Speicherorten, Schlagworten und Disziplinen. Ob jedoch ein eigenständiger Speicherort für offene Forschungsdaten in einem inter- und transdisziplinären Feld wie der Geschlech­terforschung angezeigt ist, in der mit vielfältigen Datenarten gearbeitet wird, ist noch nicht abschließend geklärt.
Bearbeitung der Inhalte dieser Seite: Kathrin Ganz (Stand: August 2024)