
Neue Wege für Open Access: Wie Bibliotheken faires Publizieren unterstützen
Wie können Bibliotheken Diamond Open Access fördern? Expert*innen der KU Leuven und TU Berlin berichteten bei unserer Informationsveranstaltung, wie sie Fair Open Access Fonds aufgebaut haben, um nicht-kommerzielle Publikationsmodelle zu unterstützen. Ihr Engagement zeigt: Ein gerechteres Publikationssystem ist möglich!
Als Teil der Informationsreihe „Die Open-Access-Transformation nachhaltig gestalten. Diamond OA als Alternative“ stellten Demmy Verbeke von der KU Leuven und Michaela Voigt von der TU Berlin am 6. November 2024 ihre Erfahrungen mit dem Aufbau von Fair Open Access Fonds vor.
Fair Open Access: Prinzipien und Bedeutung für die Wissenschaft
Bei Fair Open Access geht es in erster Linie um die Unterstützung von Publikationsinfrastrukturen und akademischen Initiativen zur Stärkung des wissenschaftlichen Publizierens, wobei die Möglichkeit zur Erhebung von Publikationsgebühren erhalten bleibt, solange diese fair und transparent gestaltet werden. Die Fair Open Access Alliance (FOAA) hat fünf Grundprinzipien festgelegt, die Zeitschriften einhalten müssen, um als Fair Open Access eingestuft zu werden. Dazu gehören:
- Führung durch die akademische Gemeinschaft,
- Sicherstellung, dass die Autor*innen das Urheberrecht an ihrer Arbeit behalten,
- sofortiger und uneingeschränkter Open-Access-Zugriff auf alle Inhalte mit einer entsprechenden Creative-Commons-Lizenz (CC-Lizenz),
- Einreichung und Veröffentlichung ist in keiner Weise von der Zahlung einer Gebühr durch Autor*innen oder die beschäftigende Institution oder von der Mitgliedschaft in einer Institution oder Gesellschaft abhängig und
- Beibehaltung niedriger, transparenter und verhältnismäßiger Kosten für alle notwendigen Gebühren.
Zur Unterstützung von Fair-Open-Access-Initiativen stellen einige Universitätsbibliotheken spezielle finanzielle Mittel in Form von Fair-Open-Access-Fonds zur Verfügung. Demmy Verbeke von der KU Leuven und Michaela Voigt von der TU Berlin stellten vor, welche Maßnahmen sie in den vergangenen Jahren ergriffen haben, um an ihren Institutionen einen solchen Fonds aufzubauen und auf welche Herausforderungen sie dabei gestoßen sind.
Erfolgreiche Umsetzung: Der Fair OA Fonds an der KU Leuven
An der KU Leuven entstand schon früh ein Bewusstsein dafür, dass für die nachhaltige und gerechte Gestaltung des akademischen Publizierens spezielle Maßnahmen notwendig sind. Zwar konnten durch die Transformation des Publikationssystems von Closed Access hin zu Open Access bereits einige Missstände adressiert werden, so z. B. der teure und damit ungerecht verteilte Zugang zu Literatur. Allerdings führte die vermehrte Erhebung von Publikationsgebühren (APCs) und die damit einhergehende Kommerzialisierung des Open Access lediglich zu einer Verschiebung der finanziellen Ungleichheiten weg vom Zugriff hin zum Publizieren selbst, sodass weiterhin immense Kosten für Universitäten und andere Forschungseinrichtungen entstehen.
Um dieser Entwicklung entgegenzuwirken, so der Gedankengang der Akteure der KU Leuven, ist eine Orientierung an den akademischen Werten und eine Anstrengung für Open Publishing, also institutionelle Publikationsservices, notwendig. Daher errichtete die Universität 2018 einen speziellen Fonds, der ausschließlich für die Förderung von gemeinschaftlich organisierten und nicht-kommerziellen Initiativen bestimmt ist, die sich für die Prinzipien des Fair Open Access stark machen. Dieser KU Leuven Fund for Fair Open Access ist vollständig vom Erwerbungsetat der Universität getrennt. Finanziert wurde er anfänglich u. a. durch die Umwidmung von Open-Access-Publikationskosten, die sonst an kommerzielle Verlage gegangen wären. Durch die Trennung der beiden Fonds wird nicht nur die Unterstützung von nicht-kommerziellen und gemeinschaftlich organisierten Initiativen gesichert, sondern auch deren Sichtbarkeit erhöht.
Anfangs musste jedoch viel Überzeugungsarbeit gegenüber den Entscheidungsträger*innen der KU Leuven geleistet werden, um die Unterstützung für die Errichtung des Fair Open Access Fonds zu erhalten. Ausschlaggebend waren letztlich drei Argumente: Erstens sieht die KU Leuven die Notwendigkeit, etwas am aktuell dysfunktionalen Publikationssystem zu verändern. Zweitens handelt es sich - im Vergleich zum sonstigen Erwerbungsbudget - um verschwindend kleine Geldsummen, die für einen solchen experimentellen Ansatz benötigt werden. Drittens möchte die KU Leuven als positives Beispiel für faires Publizieren auftreten.
2018 flossen zunächst rund 86.000€ in den Fonds, die mit der Zeit auf ca. 160.000€ im Jahr 2023 angestiegen sind. Diese Summen waren konkret bestimmt für die finanzielle Unterstützung von fairen Open-Access-Initiativen und -Infrastrukturen. Anfangs floss ein Anteil der Mittel zudem in APCs für Zeitschriften, die nach den Kriterien für Fair Open Access arbeiten. Dieser Kostenpunkt wurde allerdings 2021 eingestellt, da sich Missverständnisse unter den Autor*innen über eine kollektive Finanzierung von APCs (auch von kommerziellen Zeitschriften) einschlichen und sich die Hintergrundrecherche bezüglich der Fairness potenzieller Zeitschriften als sehr aufwändig erwies.
Neue Wege an der TU Berlin: Ein Fonds für faires Publizieren
Die Problematiken des Gold-Open-Access-Modells mit seinen oft unverhältnismäßig hohen Publikationsgebühren gaben auch der Bibliothek der TU Berlin den Anstoß zur Errichtung eines eigenen Fair-Open-Access-Fonds, wie Michaela Voigt im Anschluss berichtete. Insbesondere der im Herbst 2023 abgeschlossene DEAL-Transformationsvertrag mit Elsevier löste kontroverse Diskussionen darüber aus, ob die konsortialen Publish-And-Read-Vereinbarungen mit den großen Wissenschaftsverlagen mit den Werten und strategischen Zielen des wissenschaftlichen Bibliothekswesens übereinstimmen. So entstanden Überlegungen und Pläne, die Förderung von nicht-kommerziellen Open-Access-Initiativen und Infrastrukturen weiter auszubauen und dafür gesonderte Mittel bereitzustellen. Zwar wurden schon seit 2018 vereinzelte als „fair“ eingestufte Akteure wie die Open Library of Humanities unterstützt, allerdings sollten diese Bemühungen nun durch die Errichtung eines eigenen Fonds strategisch und koordiniert gebündelt werden.
Somit wurde 2024 der Fair Open Access Fonds als dritte Finanzierungssäule des Bibliotheksetats für Open Access etabliert: neben dem Universitätsverlag der TU Berlin in Kombination mit dem eigenen Repositorium sowie den Mitteln für Gold-Open-Access und Publish & Read-Vereinbarungen. Die Bereitstellung von finanziellen Mitteln erfolgt dabei über ein virtuelles Budget, das zu Teilen aus Erwerbungsmitteln und zu Teilen aus dem Budget für Administration gespeist wird. Im ersten Jahr, das vorrangig dem Aufbau von Workflows und anderen administrativen Prozessen gewidmet ist, stehen 25.000€ zur Verfügung. Diese Summe soll in den kommenden beiden Jahren auf mindestens 50.000€ ausgebaut werden. Die Auskopplung der Mittel für Fair Open Access in einen eigens dafür designierten Fonds soll dabei ähnlich wie an der KU Leuven nicht nur der erhöhten Sichtbarkeit von fairem Open Access dienen, sondern auch der Sicherung und Garantie der Finanzierung dieses Anliegens. Dazu trägt auch die Festschreibung in ein bereits verabschiedetes (aber Stand Februar 2025 noch nicht veröffentlichtes) Strategiepapier der Universitätsleitung bei, das Fair Open Access auch institutionell absichert und festigt.
Wenn es an die konkrete Investition der Mittel geht, bemüht sich die TU Berlin darum, auf bereits vorhandene Strukturen aufzubauen. Sodass primär diejenigen Publikationsorte gefördert werden sollen, in denen sich Mitglieder der Universität ohnehin schon engagieren, beispielsweise als Herausgebende oder Reviewer*innen. Wie in der KU Leuven orientiert sich die Förderentscheidung zudem an bestimmten Mindeststandards für Fairness sowie am fächerspezifischen Bedarf der Universität.
Michaela Voigt schloss ihren Vortrag mit den ermutigenden Worten „We could do it. And we should do it“, denen Demmy Verbeke zustimmend beipflichtete. Wie aus den Präsentationen deutlich geworden ist, werden an den beiden Institutionen große Anstrengungen unternommen, um das wissenschaftliche Publikationssystem nicht nur kostengünstiger, sondern auch fairer zu gestalten. Ihr Engagement und ihre Erfahrungen können als Vorbild und Muster für andere Bibliotheken dienen, die in Erwägung ziehen, ähnliche Schritte zu ergreifen.
Dieser Beitrag ist lizenziert unter der Creative Commons Namensnennung 4.0 International Lizenz (CC BY 4.0).

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