Openness an Hochschulen verankern mit dem OER-Policy Kit
Immer mehr Hochschulen bekennen sich zu Openness. Durch verschiedene Richtlinien wollen sie ein Signal für Lehrende, Forschende und andere Hochschulangehörige setzen, dass sie einen freien Zugang zu wissenschaftlicher Literatur, Forschungsdaten und Bildungsmaterialien unterstützen. Doch was sollten solche Policies eigentlich enthalten bzw. regeln? Was ist aus rechtlicher Sicht zu beachten? Und welche Stakeholder sollten bei der Erstellung einbezogen werden, damit später bei der Umsetzung alle an einem Strang ziehen und die Policies nicht nur auf dem Papier bestehen? Antworten in Bezug auf Open Educational Resources (OER) gibt das OER-Policy Kit. Es bietet Orientierung, Handlungsempfehlungen und praktische Tipps.
Openness in der Hochschullehre - Open Educational Resources (OER)
Viele Hochschulen im DACH-Raum haben bereits eine Policy für die Förderung von OER auf den Weg gebracht (siehe Policy-Liste). Als OER werden freie Bildungsinhalte bezeichnet, die durch eine offene Lizenzierung kostenlos einer breiten Öffentlichkeit zur Verfügung stehen und somit für andere nachnutzbar sind - dabei kann es sich um einzelne Materialien oder ganze Kurse handeln (siehe UNESCO Definition). Dabei haben sich die Creative Commons Lizenzen als Standard für die Kennzeichnung und Verbreitung von OER etabliert.
Nachnutzbar können OER in vielerlei Hinsicht sein: Passende Lehr-/Lernmaterialien zum eigenen Lehrgebiet können die Lehrveranstaltung anreichern, ergänzen und vertiefen, sie bieten aber auch die Möglichkeit, die (Neu-)Gestaltung der eigenen Lehre zu inspirieren, umzustrukturieren und stärker kompetenzorientiert auszurichten (z. B. nach dem Prinzip des Inverted Classroom). Durch die Bereitstellung eines didaktischen und methodischen Mix an Lernangeboten können Studierende eingebunden und eine Vermischung von wissenschaftlichen Arbeitsmethoden und informellen Lernprozessen erreicht werden. Außerdem wird den Studierenden durch ein breites Angebot an Begleitmaterialien eine bedarfsorientierte Beschäftigung mit dem Thema ermöglicht und so eigenverantwortliches und individuelles Lernen gefördert, z.B. mittels persönlicher Lernpfade zur Prüfungsvorbereitung, zur Vertiefung von Themen oder zum Auffangen unterschiedlicher Wissensstände bei Studierenden. Dies trifft umso mehr zu, wenn die Studierenden selbst dazu angeregt werden, gemeinsam mit den Lehrenden den Materialpool zu erweitern oder offene Lehrmaterialien an die eigenen Lernprozesse anzupassen.
Besonders beim Einstieg in die Hochschullehre können nachnutzbare Bildungsmaterialien für neuberufene Professorinnen und Professoren, frisch angestellte Mitarbeitende und Lehrbeauftragte hilfreich sein. Indem auf bewährte Materialien zurückgegriffen wird und somit die Erstellung von Lehrkonzepten und -materialien nicht bei null begonnen werden muss, kann der Lehreinstieg erleichtert werden.
Großes Potenzial entfalten OER vor allem dann, wenn die offenen Materialien verändert und erweitert werden. Sie können z. B. einfach in andere Sprachen übersetzt werden (mittels KI), wodurch sich Potenziale für die Internationalisierung ergeben. Oder die Inhalte können aus den Hochschulen heraus in andere Bildungssparten wie z. B. die wissenschaftliche Weiterbildung bzw. Erwachsenenbildung überführt werden.
Grundsätzlich kann die Veröffentlichung eigener Lehr-/Lernmaterialien sowie Lehrkonzepte als OER dem Reputationsaufbau im Bereich der Hochschullehre dienen, ähnlich wie wissenschaftliche Publikationen im Forschungsbereich. Mitunter werden OER im Lebenslauf auch für spezifische Stellen relevanter. Durch die Bereitstellung von Open Educational Resources kann ein aktiver Beitrag zu einer vielfältigen und nachhaltigen Bildungslandschaft geleistet werden.
Warum brauchen Hochschulen eine OER-Policy?
Das Teilen von Lehr-/Lernmaterialien, Lehrkonzepten oder Prüfungsaufgaben ist für manche Lehrende immer noch mit einigen Fragezeichen, Unsicherheiten oder Vorbehalten verbunden: Wo kann ich nach geeigneten Materialien suchen? Woher weiß ich, dass das gute Materialien sind? Ist es nicht aufwändig, die Materialien anderer an meine Lehre anzupassen? Welche rechtlichen Aspekte muss ich beachten, wenn ich meine Materialien veröffentlichen möchte? Wer gibt mir Antworten auf meine Fragen? Um eine Kultur des Teilens in der Lehre an Hochschulen und damit die Nutzung und Erstellung von OER zu etablieren bzw. zu fördern, braucht es verschiedene Maßnahmen auf mehreren Ebenen, z. B.:
- Beratungsstellen und konkrete Ansprechpersonen vor Ort
- Informationsmaterialien, Selbstlernkurse, Sprechstunden etc.
- Qualifizierungs- und Weiterbildungsangebote zur Erstellung und Nutzung von OER
- Austausch- und Vernetzungsformate für Lehrende, um u. a. Good-Practice-Beispiele sichtbar zu machen
- Anreizsysteme wie z. B. Förderprogramme, Auszeichnungen, Deputatsanrechenbarkeit für besondere Leistungen rund um OER in der Lehre
- Nationale und internationale Veranstaltungen rund um OER
- Unterstützung bei der Anpassung und Erstellung von OER in Form von ausgebildeten Hilfskräften
Ein wesentlicher Grundstein, der den Weg für diese Maßnahmen ebnen kann (aber nicht muss), kann mit einer Policy gelegt werden. Mit einer solchen Richtlinie, die sich an Lehrende, Mitarbeitende und/oder andere Hochschulangehörige richtet, können Hochschulen nicht nur zeigen, dass sie sich für OER, Openness und eine Kultur des Teilens einsetzen, sondern auch wie sie diese Ziele mit welchen Maßnahmen an der Hochschule erreichen möchten. Typische Inhalte einer OER-Policy sind folgende (siehe auch Muster Policy des niedersächsischen Landesportals twillo):
- Die Position der Hochschule in Bezug auf OER (enthält u. a. Präambel, Verständnis von OER, Ziele, Zielgruppen)
- Empfehlungen der Hochschule („Pflichten“ der Zielgruppe, u. a. Lizenzwahl, Namensnennung, offene Dateiformate, Qualitätssicherung)
- Angebote der Hochschule (welche Unterstützung möchte sie in Sachen OER gewährleisten, z. B. Einräumung der Nutzungsrechte, Verantwortlichkeiten und Ansprechpersonen, OER-Repositorium, Qualifizierungsangebote und weitere Maßnahmen)
Jedoch ist der Weg zu einer OER-Policy und ihre inhaltliche Ausgestaltung dabei so unterschiedlich und vielfältig wie die Hochschullandschaft selbst. Wenn sich eine Hochschule auf den Weg zu einer OER-Policy machen möchte, gibt es allerdings immer ähnliche Fragen: Wo und wie fange ich an? Was soll die Policy enthalten bzw. regeln? Was ist aus rechtlicher Sicht zu beachten? Welche Akteur:innen müssen einbezogen werden?
Das OER-Policy Kit als Handlungsleitfaden
Klar definierte Antworten auf diese Fragen gibt es weniger, aber es gibt Erfahrungen, wie Hochschulen diese Fragen individuell für sich beantwortet haben. Diese sind nun in Form des OER-Policy Kits von einer Arbeitsgruppe bestehend aus twillo, dem Netzwerk ORCA.nrw und der HAWK Hildesheim/Holzminden/Göttingen übersichtlich und interaktiv zusammengestellt worden. Über einen Zeitraum von sechs Monaten hat die sechsköpfige Arbeitsgruppe Erfahrungen von Hochschulen zusammengetragen, die bereits eine OER-Policy veröffentlicht haben oder noch mittendrin stecken. Während des Schreibprozesses wurden u. a. Rückmeldungen aus Vernetzungstreffen von Policy-Aktiven eingeholt und eingearbeitet.
Das fertige OER-Policy Kit ist ein Handlungsleitfaden, der als praktischer Wegweiser durch den Dschungel des OER-Policy-Entwicklungsprozesses dienen soll (Abb. 1). Egal, an welchem Punkt eine Hochschule steht – ob man einen Vorschlag für einen Policy-Entwurf benötigt, einen partizipativen Prozess gestalten oder die Hochschulleitung erst noch über das Für und Wider einer OER-Policy aufklären möchte –, das OER-Policy Kit versucht, trotz der vorhandenen Unterschiede zwischen den Hochschulen eine allgemeine Orientierung, konkrete Tipps und Beispiele sowie hilfreiche Materialien zu den verschiedenen Stationen zu geben.
Transferpotenzial für Open Access Policies
Ähnlich wie bei der Entwicklung von OER-Policies, bei denen es um den freien Zugang zu Lehr-/Lernmaterialien geht, gibt es auch bei der Gestaltung von Open Access Policies ähnliche Fragen. Diese Richtlinien zielen darauf ab, wissenschaftliche Publikationen und Forschungsdaten frei zugänglich zu machen. Der Prozess der Erstellung und Implementierung einer Open Access Policy umfasst viele der gleichen Herausforderungen und Schritte wie bei OER-Policies: die Definition von Zielen und Maßnahmen, die Einbeziehung relevanter Stakeholder und die Berücksichtigung rechtlicher Aspekte. Das OER-Policy Kit kann daher ebenfalls hilfreiche Antworten auf den Entwicklungsprozess einer Open Access Policy geben und als Leitfaden herangezogen werden. Schließlich können Hochschulen durch die parallele Förderung von OER und Open Access eine umfassende Kultur der Offenheit etablieren, die sowohl die Lehre als auch die Forschung umfasst.
Wenn sich also Ihre Hochschule auf den Weg Richtung Openness machen und das in Form einer Policy verankern möchte, dann werfen Sie gerne einen Blick in das OER-Policy Kit. Alle Dateien zum Nachnutzen des Policy Kits finden sich in diesem Git-Repository: https://github.com/twillo-lehre-teilen/OER-Policy-Kit Wenn das Kit hilfreich für Sie ist oder wenn Sie Verbesserungsvorschläge haben, freuen wir uns immer über Ihr Feedback an support.twillo@tib.eu bzw. als Kommentar unter diesem Post.
Dieser Beitrag ist lizenziert unter der Creative Commons Namensnennung 4.0 International Lizenz (CC BY 4.0).
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